Ich habe ja riesigen Klassiker-Nachholbedarf (Ich arbeite schon an einer neuen Rubrik zum Thema). Aber den haben wir, glaube ich, alle. Doch bei mir ist es vielleicht ein bisschen anders, ich genieße es nämlich, im Besitz dieses Nachholbedarfes zu sein, denn jedes Mal wenn ich einen dieser Klassiker nachhole, fühle ich mich, als wäre ich ein großes Stück gewachsen. Ich fühle mich gebildeter, schlauer, und nicht zuletzt – für einen Moment oder zwei – zufriedener.
Es ist sehr individuell, wer bei welchem Klassiker aufschreit, wenn das Gegenüber zugibt diesen nicht zu kennen. Ich für meinen Teil fühle fast so etwas wie Verärgerung, wenn jemand Zurück in die Zukunft nicht kennt, und ich weiß selbst nicht woher diese unbegründeten Gefühle kommen. Es gibt leider zu viele tolle Klassiker. Keiner kann sie alle kennen. Tja, und wenn ich dem einen oder anderen von euch erzähle, dass ich bis gestern „Full Metal Jacket“ nicht gekannt habe, werden bei demjenigen/derjenigen bestimmt ähnliche Gefühle aufkommen. Nun ist dieses Unwissen aber Vergangenheit. Ich bin jetzt eine von euch, und das bin ich sehr gerne. Ich verehre Mr. Stanley Kubrick zudem über alle Maßen, und das obwohl ich bisher nur 3 seiner Filme kenne (jetzt 4). Über kurz oder lang werde ich mir natürlich auch die restlichen seiner Filme ansehen, und ihn dann bestimmt noch mehr lieben. Aber erst mal einen Schritt nach dem anderen. Ich schwebe aktuell eh wieder auf Wolke sieben, weil ich einen wunderbaren Filmklassiker nachholen durfte.
Es kommt ein bisschen unvorbereitet. Eine fast zu spontane Entscheidung, für einen so großen Film, aber eigentlich ist es doch besser so. Wenn man es sich vornimmt, kommt es eh nicht zustande.
Dann gestern Abend so: Ich freue mich auf meinen ersten „Antikriegsfilm“ (die anderen werden folgen), und bin gespannt wie das Ganze aussehen soll, was eigentlich der Unterschied zum „Kriegsfilm“ ist. Mein Mann erklärt mir, dass es bei einem „Antikriegsfilm“ keine Helden gibt. Hier wird alles weggelassen, was den Krieg auf irgendeine Weise verherrlicht. Er hat den Film übrigens schon einige Male gesehen, wie ihr alle vermutlich. Er kann jedenfalls all diese „Liedchen“ mitsingen. Einen habe ich mir auch schon gemerkt: „This is my rifle and this is my gun – this is for fighting and this is for fun“.
Die erste hälfte des Films, die auf der Ausbildungsinsel Parris Island spielt, macht schon sehr deutlich, wie aus gewöhnlichen Männern, Killer werden. Wieviel Druck auf ihnen lastet, und wie wichtig es ist sehr schnell, sehr erfolgreich im Töten zu werden. Es fällt auch auf, dass trotz der krassen Brutalität, und der knallharten und schonungslosen Ausbildung der berühmten US Marines, ein sehr schawarzer Humor mitschwingt. Man wird unter diesen Umständen als labiler Mensch schnell verrückt. Interessant fand ich übrigens, dass Vincent D’Onofrio den irren Blick von Jack Nocholson aus „The Shinig“ kopiert. Kleines Markenzeichen von Kubrick?
Nach erfolgreicher Ausbildung, und einem traumatischen Verlust, dürfen die Marines in den Vietnamkrieg ziehen. Der Erzähler (Matthew Modine aka Joker) wurde eigentlich als Journalist eingesetzt, muss dann aber, aus Gründen, doch an der Front kämpfen. Trotz der Kampf- und Kriegsszenen, bleibt das Zwischenmenschliche den ganzen Film über im Fokus. Wie schön ist es, einen Film über Menschen und menschliche Beziehungen zu sehen, der kein klassisches Independent-Familien-Drama ist. „Full Metal Jacket“ spricht Dinge ehrlich aus, zeigt den Krieg aus der Sicht des einzelnen Menschen, und nicht aus der des Landes das bekämpft oder bekämpft wird. Er zeigt wie unterschiedlich dieser Kampf wahrgenommen wird. Nicht alle sind Killer aus Leidenschaft, dem einen oder anderen geht es nur um den Frieden, auch wenn er es nicht zugeben darf. Das alleraußergewöhnlichste an diesem Antikriegs-Klassiker ist etwas, das sich wie ein Schlag in die Magengegend anfühlt, und doch wie die Faust aufs Auge zum Film passt … Songs wie: „Chapel of Love“, „Wooly Bully“ oder „These Boots Are Made for Walking“. Was für ein liebevoller Stilbruch.
Ein schönes Stück Filmgeschichte, das Mr. Kubrick da in den 80er erschaffen hat. Ich hoffe, ich finde demnächst ein bisschen Zeit, euch auch noch eine kleine Geschichte über den neuen Film von Ang Lee, „Billy Lynn’s Long Halftime Walk“ zu erzählen. Der erzählt eine ähnliche Geschichte, nur auf eine ganz andere Weise.
Im Rahmen meiner Kriegsfilmreihe 2017 (in Vorbereitung auf Dunkirk) hab ich den auch kürzlich mal wieder geguckt. Ich zitiere: „Wenn es einen Film gibt, der mir immer wieder vor Augen führt, dass es gut ist, absolut nichts mit irgendeiner Art von Soldatenarmee zu tun zu haben, dann ist es dieser. Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, warum sich Leute für diese Scheiße freiwillig melden.“
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Ja, ein wirklich imposanter Antikriegsfilm. Ich finde übrigens immer wieder, dass die Grenze ziemlich verschwommen ist und bei den meisten Ausprägungen beide Aspekte in irgendeiner Art mitschwingen. Freu dich schon einmal auf „Apocalypse Now“ — der gibt auch viel Stoff zum darüber nachdenken… 🙂
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Apocalyspe Now Redux sollte als nächstes auf dem Plan stehen. Vielleicht auch Catch 22 oder mein Lieblingsfilm: Steiner – Das eiserne Kreuz.
Full Metal Jacket ist einfach nur cool.
„Nur Schwule und Stiere kommen aus Texas und wie ein Stier sehen sie nicht aus, Private“ 🙂 🙂
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Den habe ich tatsächlich das erste Mal gesehen, als ich selber bei der Bundeswehr war. Und wir hatten einen Ausbilder, der auch immer die Lieder aus dem Film gesungen hat. „Full Metal Jacket“ ist auf jeden Fall ein krasser Film, aber ich bin mal gespannt, wie dir andere Vertreter so gefallen. Kleiner Antikriegsfilm-Geheimtipp: „Johnny Got His Gun“. Der ist großartig!
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Willkommen im Full Metal Jacket Club. 🙂
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