VERTIGO (1958, Alfred Hitchcock)

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Mal wieder bin ich völlig begeistert, nachdem ich einen Film dieses Ausnahmeregisseurs gesehen habe. Langsam aber sicher ist mir der Filmemacher nicht mehr ganz fremd. Es ist zwar nach „The Birds“, „Rear Window“ und „Psycho“ erst der 4te seiner Filme den ich gesehen habe, aber ich nenne mich jetzt schon begeisterter Fan vom Großmeister des Thrills. Vertigo ist wohl die Mutter des unerwarteten Twists in einem Thriller. Er ist auch sehr viel „Actiongeladener“ und Handlungsreicher als die 3 Vorgänger, die ich gesichtet habe. Sie waren ruhig, atmosphärisch, bildgewaltig, beängstigend. Das alles ist Vertigo nicht wirklich. Es ist sehr wohl ein sehr packender Film, mit wunderbarer Ausstrahlung und viel Charme, aber es ist eben ein spannender Thriller, der mehr Wert auf Handlung als auf Stimmung legt. 

Ich finde es faszinierend, welch guter Geschichtenerzähler Hitchcock doch ist. Ich kenne gegenwärtig keinen der ihm annähernd das Wasser reichen kann. Er erzählt langsam, laut und deutlich. Jede einzelnen Szene und jeder Augenblick ist unfassbar spannend inszeniert. Auch hier hängt man wieder an jedem, der verhältnismässig wenigen Worte, die die Lippen der insgesamt 4 wirklich wichtigen Protagonisten verlassen. Eine durchdachte und glaubwürdige Geschichte, mit einem unerwarteten Ende, toll inszeniert und wunderbar gespielt – ein ganz anderes Schauspiel war das damals, so graziös, seriös und nobel.

Und trotz all dem Guten, Logischen und Deutlichen welches der Film zu bieten hat, bleibt eine Frage offen. Diese beste Freundin Midge, die offensichtlich in den Hauptprotagonisten aka James Stewart verliebt ist, gespielt von Barbara Bel Geddes, scheint am Anfang sehr wichtig zu sein, ist auch stets Teil der Geschichte, und ist dann plötzlich weg und kommt nicht wieder. Sie ist stets für ihn da, kümmert sich, ist seine Vertraute. Warum ist sie im letzen Drittel nicht mehr relevant? Als er die Doppelgängerin findet, und mit ihr anbandelt, wo ist dann Midge? Auch wenn er ihre Fürsorge für etwas übertrieben hält, und sie deswegen eventuell nicht mehr in seinem Leben haben will, hätte das zumindest angesprochen werden müssen, es hätte einen deutlicheren Konflikt geben müssen, als den mit dem Selbstportrait. Oder wäre das zu viel für die Handlung gewesen? Sie hätte jedenfalls einen etwas anderen Abgang verdient, oder überhaupt einen. Ich finde jede Rolle muss zu Ende gespielt werden, und wenn sie davor verschwindet, sollte das zumindest begründet geschehen. Was sagt ihr dazu?

Nichtsdestotrotz noch ein großartiger Hitchcock. Jetzt will ich dringend noch mehr von meinem Lieblingsgeschichtenerzähler erzählt bekommen. Der nächste Film steht eh schon in den Startlöchern. 

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15 Gedanken zu “VERTIGO (1958, Alfred Hitchcock)

  1. Oh ja, Vertigo ist zusammen mit Fenster zum Hof und Der unscihtbare Dritte mein liebster Hitchcock!

    Meine Meinung zu Midge: sie repräsentiert das Freud’sche „Über-ich“ von Stewarts Charakter. Den kontrollierten/kontrollierenden Teil seiner Persönlichkeit, repräsentiert in einer mütterlichen Figur. Wenn sich Stewart mehr und mehr seinem „Es“ unterwirft, seiner Besessenheit von Novaks Charakter(en), verschwindet die Kontrollinstanz. Aber ja, ich finde ihr klangloses Verschwinden auch immer ein bisschen schade.

    Wenn Du weitere Hitcocks schaust empfehle ich, zur begleitenden Lektüre, „Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht?“ ein Buch, in dem Francois Truffaut Hitchcock über jeden seiner Filme interviewt, falls Du das nicht sowieso schon kennst.

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      1. Ansonsten Donald Spotos Biographie über Hitchcock. Allerdings mit mehr als 600 Seiten sehr erschlagend.

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  2. Ja, einer der besten Hitchcocks meiner Meinung nach. Sehr faszinierend, aber auch verworren und nicht unbedingt schlüssig. Vielleicht der „Mulholland Drive“ seiner Zeit. Habe ich auch schon viel zu lange nicht mehr gesehen.

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  3. „Vertigo“ ist ein großartiger Film, einer von Hitchcocks besten Filmen. Der kommt mit so verhältnismäßig wenig hier aus und erzählt doch so eine große und fantastische Geschichte, dass es einem irgendwie gar nicht auffällt, dass man die erste Hälfte des Films kaum Dialoge hört und fast immer nur mit dem Auto unterwegs ist 😀

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  4. Hmmm, hab mir nie so wirklich Gedanken über Bel Geddes Rolle gemacht, weil alles andere diesen Handlungsstrang überlagert. Vielleicht ist das Porträt zu Lesen als eine Art Festhalten der Erinnerung und somit das Ende einer Beziehung…

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    1. Wäre sie nach der Porträt-Geschichte gar nicht mehr aufgetaucht, hätte ich es auch so gesehen. Aber sie hat sich danach ja auch noch um ihn gekümmert. Aber ist ja auch gar nicht so schlimm. Der Film ist trotzdem Weltklasse.

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