12 YEARS A SLAVE (2013)

Womit fange ich an? Damit dass dieser Film DER große Oscar Favorit ist? Wie es sich herausgestellt hat, nicht ohne Grund. Damit, dass die schauspielerische Darbietung von Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Benedict Cumberbatch und Lupita Nyong’o herausragend war? Das zeigen die Globe und Oscar Nominierungen schon deutlich genug. Ich möchte versuchen die Gefühle in Worte zu fassen, die einen während und nach dem Film überwältigen. Ob der Versuch gelingt, wird sich am Ende dieser Besprechung zeigen.  

12years3

Meine Erwartung

Es wurde unfassbar viel darüber gesprochen, geschrieben, diskutiert. Ich habe allerdings die meiste Zeit versucht nicht hinzuhören und nichts zu lesen. Ich wollte mich so wenig wie möglich beeinflussen lassen. Ich wollte den Film einfach sehen, empfinden, mir selbst eine Meinung bilden. Der Film war mir zu wichtig, um vorgefertigte Meinungen und Urteile während des Sichtens im Hinterkopf zu haben. Ich wollte nichts erwarten, auf nichts warten, ich wollte einfach sehen und wenn möglich fühlen.

Steve McQueen

Die einzige Erwartung die hatte einen großartigen Steve McQueen zu sehen. Mich hat seine Regie-Arbeit bei Shame schwer beeindruckt. Seine besondere Kameraführung, das penetrante Beobachten der Hauptperson. Einstellungen die fühlbar anderes sind, die nicht nur sehen, sondern fühlen lassen. Das wollte ich hier auch erleben.

Das Gesehene gefühlt

Ich saß 134 Minuten lang zitternd in meinem Kinostuhl, Hand in Hand mit Solomon Northup der eigentlich ein freier Mann ist, der aber einfach so über Nacht entführt, von seiner Familie getrennt und in die Sklaverei verkauft wurde. Ein Mann der, wie so viele damals, unmenschliche Grausamkeit erleben musste und nichts, rein gar nichts dagegen tun konnte. Er durfte weder reden, noch kämpfen und erst recht nicht weglaufen. Er war gefangen in seiner Verzweiflung. Anfangs hatte er noch den Willen zu entkommen, wollte sich dem aufgedrängten Schicksal nicht beugen, merkte aber schnell, dass sein Verstand und sein Recht ihm nicht helfen konnten, wenn er überleben wollte. Als Zuschauer weiß man nicht nur, dass der Wille dieses Mann gebrochen wurde, man fühlt es bis in die Knochen, denn McQueens Kameras verharren immer ein, zwei Augenblicke länger als es erträglich wäre, im verzweifelten Gesichtsausdruck des Mannes, der nicht einmal seinen richtigen Namen aussprechen darf, weil ihn niemand hören möchte. Man sieht dabei zu wie dieser stundenlang an einem Seil hängt, gerade mal mit seinen Zehenspitzen den Boden berühren kann – die Kamera will sich einfach nicht wegdrehen – eine gefühlte Ewigkeit lang beobachtet sie Salomon, wie er um sein Leben ringt, während die anderen Sklaven ihn nicht beachten dürfen, ihm nicht helfen dürfen, dabei zuschauen müssen. Spätestens da sieht man nicht mehr nur, man kann die volle Wucht dieser Unmenschlichkeit. Man fühlt Hass, Wut, Trauer und Unverständnis gegenüber dieser unfassbaren Ungerechtigkeit. Hass und Wut auf die Welt, auf die Menschheit, die das in irgendeiner Weise zu rechtfertigen wussten.

Zusammengefasst

Anfangs wird der arme Mann zwar versklavt, aber es läuft den Umständen entsprechend nicht schlecht für ihn. Man ist recht entspannt und guter Dinge, denn sein erster Master (Benedict Cumberbatch) ist nett zu Solomon, zeigt sogar Respekt vor ihm und schenkt ihm eine Geige. Doch dann wird Solomon übermütig und die schrecklichen Ereignisse nehmen ihren Lauf. Es wird immer schlimmer und schlimmer – immer unerträglicher, bis man am Ende nur noch heulen möchte. Ich ging jedenfalls ziemlich niedergeschlagen aus dem Kino und sehe diese Verzweiflung aus Solomons Gesicht noch immer vor meinem geistigen Auge. Der Film war wahrlich kein Vergnügen, aber McQueen hat hier ein Meisterwerk geschaffen, dass den USA und der ganzen Menschheit den Spiegel vorhält. Da soll man sich nicht gut dabei fühlen, denn er erzählt uns keine Geschichte, er zeigt uns lediglich die pure, unverfälschte Wahrheit. Ich bin sehr beeindruckt von so viel Können, denn das was McQueen hier liefert nenne ich „seinen Job gut machen“. Meisterhaft!

Und am Ende meines Versuches, das auszudrücken was dieser Film in mir ausgelöst hat, finde ich meine Worte leider nicht annähernd ausreichend. McQueen bringt uns durch Bilder zum fühlen, wie soll man das in Worte fassen können? Das sinnvollste was ich am Ende noch sagen kann ist: Diesen Film sollte absolut und ausnahmslos jeder gesehen haben. 

5

Erscheinungsdatum: Januar 2013
Regisseur: Steve McQueen
Länge: 134 Minuten
Auszeichnungen: Golden Globe Award / Bester Film – Drama
Altersfreigabe: FSK 12
Musik: Hans Zimmer

Schöne Text aus der Blogosphäre:
24 Yards per Second (9/10),
Going to the Movies (10/10),
Chicks on Flicks

w964

19 Gedanken zu “12 YEARS A SLAVE (2013)

  1. Dürfte wirklich ein großartiger Film sein. Steve MC Queen als Regisseur ist mir neu, ich kenne ihn nur als super Schauspieler in guten Filmen wie z.B. „Gesprengte Ketten“.

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  2. Schön geschrieben und sehr passend, ähnliche Gefühle hatte ich auch beim Gucken (gezittert habe ich allerdings nicht 😉 ). Ein sehr unangenehmer Film durch und durch.

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  3. Uh ja, ich habe auch ganz schön zittrig das Kino verlassen. Es ist wirklich ein unglaublich packender, erschreckender und gleichzeitig unheimlich bewegender Film. Diesen Blick kurz vorm Schluss werde ich wohl auch nie wieder vergessen können.

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    1. Und dass er am Ende wieder bei seiner Familie war hat all das viele Leid irgendwie nicht wieder Gut machen können. Man wurde am Ende nicht erlöst und konnte glücklich wieder aus dem Kino gehen. 😦

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      1. Stimmt. Weil man da bei seiner Familie nur noch einmal mehr daran erinnert wurde, was er alles in diesen 12 Jahren verpasst hat.

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    1. Wenn sie doch wenigstens vergleichbar beständig auch schrumpfen würde. Jaja das ist wohl unser aller Schicksal. 😉 Aber nichtsdestotrotz „12 Years a Slave“ hat Priorität, Liste hin oder her. 😉

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  4. Wow – man merkt dir an wie sehr der Film dich bewegt hat und wenn ich ihn nicht schon vorher sehen wollte, dann spätestens jetzt. Hoffentlich entscheidet sich das Kino meines Vertrauens bald dazu ihn zu zeigen 😦

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    1. Wenn das so rüberkommt, dass hab ich mein Ziel doch erreicht. Ich drück dir die Daumen und muss mich doch sehr wundern, dass der so sporadisch gezeigt wird.

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  5. Ich hoffe einfach mal, dass ich den Film noch recht unvoreingenommen sehen kann. Eigentlich interessiert er mich nämlich ziemlich wenig. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass McQueen mit dem Film wirklich noch etwas unausgesprochenes über die Sklaverei in den USA vermitteln kann. Aber seine Chance soll der Film noch bekommen.

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    1. „etwas unausgesprochenes über die Sklaverei in den USA vermitteln“ war auch nicht seine Absicht, glaube ich. Ich finde McQueen nutzt die Filmkunst dazu Altbekannte Themen (wie auch die Sex-Sucht bei Shame) auf seine Weise zu vermitteln. Er hat sie Gabe seine Themen extrem intensiv rüber zu bringen ohne dass es zu einem reinen Gewalt-Film ausartet (oder im Fall Shame, ohne dass zum Porno ausartet). Das finde ich schon ziemlich beeindruckend. Vielleicht gefällt er dir ja doch ein bisschen und wenn nicht, … ein bisschen gefällt er dir sicher. 😉

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  6. In Sachen „Shame“ kann ich zwar immer noch nicht mitreden und „12 Years a Slave“ wird (wie bei mir üblich) bis zur Heimkinoauswertung warten müssen, aber was du da schreibst und beschreibst, hört sich nach einem packenden, unvergleichlichen Film an und jetzt bin ich noch gespannter als zuvor, zumal mich diese Gefühle doch frappierend an meine Erlebnisse bei der Sichtung von „Hunger“ (ja, auch Steve McQueen) erinnern, den ich auch unglaublich heftig empfunden habe.

    Bin mir nur nicht ganz sicher im Moment, ob ich mich solchen Seelenqualen noch einmal aussetzen möchte…

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    1. Hunger fehlt mir noch von McQueen, aber in dem Fall weiss der Mann einfach wie man den Zuschauer leiden lässt. Ist schon ziemlich bemerkenswert.

      Aber ich denke, die Neugier wird am Ende auch bei dir siegen … die Seelenqualen vergehen wieder die Neugier bleibt für immer. 😉

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  7. Mir erging es bei dem Film ganz ähnlich, da ich diese Ungerechtigkeiten auch nur schwer ertragen konnte. Außerdem finde ich, dass er einen anderen Blickwinkel auf das Thema Sklaverei eröffnet – zumindest im breiteren Kino kann ich mich bisher jedenfalls nicht an einen Film erinnern, der sowohl die Brutalität als auch die Ausweglosigkeit dieses Systems so gezeigt hat. Hier gibt es eben keinen guten weißen Master, bei dem alles nicht so schlimm ist – vielmehr sind Menschen eine Ware, ein Spielzeug. Und selbst diejenigen, die leise Skrupel empfinden, können nichts dagegen tun.

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